Marina Dykukha, Big bro is fucked up watching you, 2014, video still

In der Kubatur des Kabinetts: Videocity x FLUCC Vienna: „Eye-View Utopia Ukraine“

Mi, 28. Aug 2024

19:00—23:00 Uhr

@↥Deck+⛱, talk+djs

In der Kubatur des Kabinetts - Der Kunstsalon zeigt: Videocity x FLUCC
Vienna: „Eye-View Utopia Ukraine“

Mittwoch, 28. August

19:00

Mit / With:

Copa & Sordes
Maksym Khodak
Ollia Fedorova
Yana Bachynska
Sergey Bratkov
Diana Derii
Marina Dykukha

Kuratiert von / Curated by Videocity Team

DJs: u&me4ever (Stefan Geissler & Walter Seidl)

//DEUTSCH:

Zu Beginn des Krieges in der Ukraine im Frühjahr 2022 korrespondierte das Videocity-Team mit ukrainischen Kolleg:innen und beschloss, dass das, was wir tun können, um zu helfen, darin besteht, anderen eine Präsenz in der Kunstwelt zu geben. So zeigten wir im September und Oktober 2022 ukrainische Videokunst in der REX Box Bern, gefolgt von Ausstellungen in der Schweiz und im Ausland.

Im zweiten Jahr des Krieges fragen wir uns: Welche Rolle und Aufgabe haben Kunst- und Kulturschaffende angesichts eines Krieges, der weitergeht und in seiner Monstrosität zur "alltäglichen Normalität" geworden ist?

Trotz der Barrieren versuchen wir, zusammenzuarbeiten, Kunstwerke zu diskutieren und Künstler:innen im Kriegsgebiet bei der Produktion neuer Werke zu unterstützen.  Dass dies gelingt, ist angesichts der Absurdität der unterschiedlichen Alltagserfahrungen fast ein Wunder. Gewöhnliche Produktionsprozesse verlieren im Krieg ihren Sinn, und doch ist es nicht möglich, ohne Deadline zu arbeiten. Die ausgewählten Videos geben einen Eindruck von dem langen Leiden und der Trauer in der Ukraine.

Texte zu den künstlerischen Arbeiten:

Copa & Sordes, www.chernobyl-rose-hedge.net, seit 2017

Das Künstlerduo Copa & Sordes rief 2017 das Projekt «Tschernobyl-Rosenhecke» ins Leben. Ihre metaphorische Idee: «Ein virtuelles Netzwerk von Rosen wird das zerstörte Kraftwerk von Tschernobyl bedecken. Indem wir Rosen auf die Oberfläche des Kraftwerkes fallen lassen – symbolisch für alle gegenwärtigen und zukünftigen Opfer – werden sich ihre Stiele zu einem starken geflochtenen Schild der Wünsche und der Hoffnung auf eine friedliche Zukunft verflechten.»
Nach Ausbruch des Krieges entwarfen sie eine Sonderausgabe – jeder, der diese Ausgabe kauft, trägt einen metaphorischen Baustein zum Online-Friedensdenkmal bei und unterstützt gleichzeitig ukrainische Künstler und Kulturschaffende.

(Andrea Domesle)

Maksym Khodak, Flags of Propaganda, 2018, Videocity edition, 1-Kanal, Loop, 3:00 Min.

Battleship Potemkin ist einer der bekanntesten Filme der Geschichte. In seinem Kern war er jedoch Propaganda der Bolschewiki. Goebbels bemerkte: „[Dies ist] ein wunderbarer Film, der im Kino seinesgleichen sucht. Jeder, der keine feste politische Überzeugung hat, könnte zum Bolschewisten werden, nachdem er den Film gesehen hat“.

Der Höhepunkt des Films, der die vorherige These bestätigt, ist das Hissen einer roten Flagge über dem Deck des Schlachtschiffs. In «Flags of Propaganda» färbe auch ich die Fahnen ein, mit dem einzigen Unterschied, dass ich statt der Farbe der bolschewistischen Flagge die Farben der einflussreichsten Ideologien verwende, um die in der modernen ukrainischen Gesellschaft gekämpft wird.

(Maksym Khodak)


Olia Fedorova, The Catch, 2017–18, 10:40 Min., ohne Ton, 16:9 (schwarz & weiss)

«...Er sah am Ufer zwei Boote, die von Fischern zurückgelassen wurden, die ihre Netze wuschen. Als er in eines der Boote stieg, sagte er zu Simon: «Fahre raus ins tiefe Wasser und lass die Netze zum Fangen aus.» Simon antwortete: «Meister, wir haben die ganze Nacht gearbeitet und nichts gefangen. Doch wenn du es sagst, werde ich die Netze auswerfen» Das taten sie, und sie fingen eine so große Menge Fische, dass ihre Netze zu reißen drohten. So füllten sie beide Boote bis zum Rand, sodass sie fast untergingen. Als Simon Petrus das sah, fiel er Jesus zu Füßen und sagte: «Herr, geh weg von mir; ich bin ein Sünder» Denn er und alle seine Gefährten waren erstaunt über den Fischfang, den sie gemacht hatten. Da sagte Jesus zu Simon: «Fürchte dich nicht, von nun an wirst du Menschen fangen.» Also zogen sie ihre Boote ans Ufer, ließen alles zurück und folgten ihm nach» (Lukas 5:1-11)

Aber wer hat jemals gesagt, was mit Fischen nach dem Fischen passiert?

(Olia Fedorova)


Yana Bachynska, Deconstruction of the Ancestor, 2016, 4:48 min, ohne Ton

Ich versuche, meine Wurzeln zu finden, um mich selbst besser zu verstehen, aber was ich sehe, ist die Dunkelheit der Tradition und die Grausamkeit vergangener Jahrhunderte. Also habe ich beschlossen, selbst einen Vorfahren zu erfinden. Und ich werde ihn mir anziehen, wie die Leute ihre Trachten anziehen. Es wird der beste Ausdruck meiner Identität sein.
(Yana Bachynska)

Sergey Bratkov, Endless war, 2007, 2:28 min, no sound

Mit diesem Film möchte ich die Zuschauer:innen daran erinnern, dass es jede Minute Krieg, Tod und Menschen gibt, die irgendwo weit weg von zu Hause sterben.
Oft gibt es Geschichten über Gegenstände, die von einem atmosphärischen Vortex in einem Teil der Welt eingefangen und in den anderen geschickt werden. Gefallene Helme werden zu solchen Briefen, zu Erinnerungen an den Krieg, die zufällig zu uns gekommen sind, zu denen, die ihn nicht direkt erlebt haben.
(Sergey Bratkov)

Diana Derii , Vision of Life, 2022, 7:44 min, sound by Maks Yos

Vision of Life ist ein Videokunstwerk, das im Mai 2022 in den Straßen von Iwano-Frankiwsk, Ukraine, gedreht wurde. Die im Westen der Ukraine gelegene Stadt ist ein bedingt sicherer Ort in einem Land, das sich im Kriegszustand befindet. Das Video wurde mit Wärmebildern während eines Luftalarms und nach der Ausgangssperre aufgenommen, wodurch sich die visuelle Perspektive effektiv verändert. Diese Verschiebung der Optik lenkt unsere Aufmerksamkeit auf die gewöhnlichen Aspekte des täglichen Lebens in dieser neu gefundenen Realität, in der das, was einst als Norm galt, nun das Utopische darstellt.

(Diana Derii)

Marina Dykukha, Big bro is fucked up watching you, 2014, 0:16 Min., mit Ton

«Big bro is fucked up watching you» ist eine Metapher für den Einfluss von Big Data und Algorithmen und die Art und Weise, wie sie das Verhalten der Menschen oder den Verlauf von Ereignissen steuern, und wie dies umgekehrt werden kann, wenn die Menschen das System, in dem sie leben möchten, gemeinsam definieren. Wir können beobachten, wie das ungesunde System von den Menschen gehackt wird, die sich zusammenschließen, um zu protestieren und «Nein» zu denen zu sagen, die sich entscheiden, dem System die Macht zu nehmen. Das Projekt arbeitet mit der Idee der Erneuerung und des Paradigmenwechsels zwischen Kunst und Politik, einem Individuum und dem System. Es drängt erstere zu einer direkten Aktion und denkt das Feld der wechselseitigen Beeinflussung neu. Das Konzept bedient sich der Methode der Interaktion, bei der die Störung nicht zu einem gewöhnlichen Fehler, sondern zu einem bedeutenden Sieg über das System als Ganzes wird.

Das Projekt entstand nach den Ereignissen des Euromaidan im Jahr 2014 in Kiew, der Ukraine.

(Marina Dykukha)

Biografien der Künstler:innen:

Yana Bachynska *1991 Lviv, lebt in Lviv und anderswo
https://secondaryarchive.org/artists/yan-bachynskyi/

Sergey Bratkov *1960 Kharkiv, lebt derzeit anderswo

Copa & Sordes
Birgit Krueger *1967 München & Eric Schmutz *1962 Zofingen, beide leben in Basel, Schweiz
http://www.copaetsordes.chDiana Derii *1998 Chortkiv, Ternopil, lebt in Ivano-Frankivsk und anderswo

Marina Dykukha *1985 Kyiv, lebt in Amsterdam
https://marinadykukha.com

Olia Fedorova *1994, lebt in Kharkiv, Ukraine und anderswo
https://oliafedorova.com

Maksym Khodak *2001 Bila Tserkva, Ukraine, lebt in Kyiv, Ukraine und anderswo
https://www.maksymkhodak.com

//ENGLISH:

After the start of the war in Ukraine in spring 2022, the Videocity team was corresponding with Ukrainian artists. From our exchange, we learned that we can help by giving their works a presence in the art world. So, we showed Ukrainian video art in Basel and Bern, followed by exhibitions in Switzerland and in FLUCC.
In the third year of the war, we ask – what is the role and task of art and cultural workers in the face of a war that continues and has become an “everyday normality" in its monstrosity?
Despite the barriers, we try to work together, discuss works of art and support artists in the war zone in producing new works. The fact that this has been successful is almost a miracle in view of the absurdity of different everyday experiences.
As the war continues, we believe it is important to show Ukrainian artists as often as possible in order to share their perspectives and to stand by their side.

Texts about the artistic works:

Copa & Sordes, www.chernobyl-rose-hedge.net, since 2017

The artist duo Copa & Sordes launched the "Chernobyl Rose Hedge" project in 2017. Their metaphorical idea: "A virtual network of roses will cover the destroyed Chernobyl power plant. By dropping roses on the surface of the power plant - symbolic of all present and future victims - their stems will intertwine into a strong braided shield of wishes and hope for a peaceful future."

After the outbreak of the war, they designed a special edition - everyone who buys this edition contributes a metaphorical brick to the online peace memorial and at the same time supports Ukrainian artists.

(Andrea Domesle)


Maksym Khodak, Flags of Propaganda, 2018, Videocity edition 1 channel, looped, 3:00 min

At the heart of "Battleship Potemkin", one of the most famous films in history, is the propaganda of the Bolsheviks. The climax of the film is the raising of a red flag above the deck of the battleship. In "Flags of Propaganda" I also colour the flags, with the only difference that instead of the colour of the Bolshevik flag, I use the colours of the most influential ideologies fought over in modern Ukrainian society.
(Maksym Khodak)


Olia Fedorova, The Catch, 2017–18, 10:40 min, without sound, 16:9 (black & white)

«...He saw at the water's edge two boats, left there by the fishermen, who were washing their nets. When got into one of the boats... He said to Simon, “Put out into deep water, and let down the nets for a catch.” Simon answered, “Master, we've worked hard all night and haven't caught anything. But because you say so, I will let down the nets.” When they had done so, they caught such a large number of fish that their nets began to break. So they signaled their partners in the other boat to come and help them, and they came and filled both boats so full that they began to sink. When Simon Peter saw this, he fell at His knees and said, “Go away from me, Lord; I am a sinful man!” for him and all his companions were astonished at the catch of fish they had taken... Then He said to Simon, “Don't be afraid; from now on you will fish for people.” So they pulled their boats up on shore, left everything and followed him...» (Luke 5:1-11)
«...Once again, the kingdom of heaven is like a net that was let down into the lake and caught all kinds of fish...» (Matthew 13:47)
But who ever told what happens to fish after the fishing?
(Olia Fedorova)


Yana Bachynska, Deconstruction of the Ancestor, 2016, 4:48 min, no sound

I'm trying to reach my roots to understand myself better, but what I face is the darkness of tradition and cruelty of past centuries. So I decided to invent an ancestor on my own. And I'll put him on like people put on their national costumes. It will be the best expression of my identity.
(Yana Bachynska)


Sergey Bratkov, Endless war, 2007, 2:28 min, no sound

With this film I want to remind the audience with that every minute there is a war, death and people dying somewhere far away from home.
Quite often there are stories about objects captured by an atmospheric vortex in one part of the world and sent to the other. Fallen helmets become such letters, reminders of war, that have accidentally come to us, to those who have not encountered it directly.
(Sergey Bratkov)


Diana Derii, Vision of Life, 2022, 7:44 min, sound by Maks Yos

“Vision of Life” is a video artwork that was filmed in May 2022 on the streets of Ivano-Frankivsk, Ukraine. The city located on the West of Ukraine, is a conditionally safe place in the country in a state of war. The video was captured using thermal imagery during an air alarm and after curfew, effectively altering the visual perspective. This shift in optics directs our attention towards the ordinary aspects of daily life within this newfound reality, where what was once considered norm now constitutes the utopian.
On the streets after 11 p.m., all lighting is turned off and citizens are asked to observe the light masking regime. It turns out that the streets are plunged into complete darkness, and only with special equipment can we observe the processes taking place on the streets of the city. When a rocket flies, an application that notifies you about an air alarm is triggered, you can often hear in the crowd how signals are alternately triggered on the phones of passers-by, and in about 1 minute the city's emergency alert system is activated.
(Diana Derii)


Marina Dykukha, Big bro is fucked up watching you, 2014, 0:16 min, with sound

“Big bro is fucked up watching you” is a is a metaphor for the influence of big data and algorithm holders, as well as for the way they direct people’s behaviour or the course of events and how this can be reversed if people would define the system in which they would like to live together. The projection zone of the installation was a visual representation of the global scene of the relationship between individual and the system in which they live [the installation screen with a watching eye], and we observed the unhealthy system being hacked by the people who came together to protest and say “no” to those who chose to monopolise. Big bro is fucked up watching you works with the idea of renewal and game-changing paradigms between art and politics, the individual and the system by pushing the former towards a direct action, rethinking and reconsidering the two-way influence structure itself.
(Marina Dykukha)

Biographies of the artists:

Yana Bachynska *1991 Lviv, lives in Lviv and elsewhere
https://secondaryarchive.org/artists/yan-bachynskyi/

Sergey Bratkov *1960 Kharkiv, currently lives elsewhere

Copa & Sordes
Birgit Krueger *1967 Munich & Eric Schmutz *1962 Zofingen, both live in Basel, Switzerland
http://www.copaetsordes.ch

Diana Derii *1998 Chortkiv, Ternopil, lives in Ivano-Frankivsk and elsewhere

Marina Dykukha *1985 Kyiv, lives in Amsterdam
https://marinadykukha.com

Olia Fedorova *1994, lives in Kharkiv, Ukraine and elsewhere
https://oliafedorova.com

Maksym Khodak *2001 Bila Tserkva, Ukraine, lives in Kyiv, Ukraine and elsewhere
https://www.maksymkhodak.com

Kindly supported by the Austrian Ministry of Arts, Culture, Public Services and Sports / City of Vienna