
So, 02. Mär 2025
20:00 Uhr
@Deck
Mit / With:
Sara Sasani Zohre Solati
Kuratiert von / Curated by Videocity Team
DJs: u&me4ever (Stefan Geissler & Walter Seidl)
//DEUTSCH:
Andrea Domesle, Direktorin Videocity, schreibt:
Iranische Gegenwartskunst wird in Europa nur selten gezeigt. Die Kuratorin Zahira Mozaffari konzentriert sich auf die Arbeiten zweier junger Frauen, die in Teheran leben und dort in Galerien und auf internationalen Filmfestivals ausstellen. Nach Basel werden ihre Videoarbeiten nun zum zweiten Mal in der Schweiz gezeigt. Das Besondere ist, dass die beiden Künstlerinnen in Teheran leben und sich in ihren Kurzvideos kritisch mit globalen Themen wie Umweltverschmutzung und der Stellung der Frau auseinandersetzen. In den Nachrichtensendungen der europäischen Medien hören wir derzeit viel über den Kopftuchzwang und die eklatante Unterdrückung der Frauen durch das Mullah-Regime. Umso mehr freut es uns, dass es in Teheran so selbstbewusste Künstlerinnen gibt, die ihren ganz eigenen künstlerischen Stil verfolgen.
Texte zu den künstlerischen Arbeiten: Sara Sasani, The Burden of Nature (field), 2023, 0:47 Min, mit Ton
The Burden of Nature (beach), 2023, 2:00 Min, mit Ton Die Müllkrise in verschiedenen Regionen des Iran, insbesondere im Norden des Landes, ist sehr ernst und besorgniserregend. Mit dieser Performance möchte ich einen kleinen Teil des Mülls, der als Bürde auf der Natur lastet, auffangen.
Seine Schultern fühlen sich an, als ob ich ihn nur für ein paar Momente tragen würde.
(Sara Sasani) Zohre Solati, This is Who I Am, 2023, 6:57 Min, ohne Ton
Fragen zu meiner Identität zu stellen und ihre verschiedenen Dimensionen zu erforschen, ist das, was ich täglich tue.
Die Rückkehr zu meinem eigenen Ich, der Aufenthalt im öffentlichen Raum und in der städtischen Umgebung, während ich mit kleinen Spiegeln bedeckt bin, ist für mich wie eine Übung.
Eine Übung, bei der ich lerne, mich meinen Ängsten und Verboten zu stellen und im Augenblick zu leben. Die Spiegel reflektieren andere Menschen und ihre verschiedenen Leben, sie verweben uns miteinander. Unsere Identitäten sind eine Art Verflechtung, die sich in einem wichtigen Moment der Geschichte und mit gemeinsamen Zielen ineinander spiegeln.
(Zohre Solati) Sara Sasani, We are Born too Late, 2024, 1:14 Min, mit Ton
Wir wurden an einem Ort geboren, an dem viele gewöhnliche soziale Handlungen aggressiv verboten werden; an dem das Streben nach den alltäglichsten Dingen zu einem Streben nach dem Schwierigsten, dem Unerreichbarsten geworden ist.
Wir wurden an einem Ort geboren, an dem einfache, alltägliche Dinge immer noch am Rande der Gesellschaft stehen und keine Gelegenheit hatten, ihren Weg in den öffentlichen Diskurs zu finden.
Vielleicht wurden wir zu früh geboren, vielleicht aber auch zu spät.
(Sara Sasani) Sara Sasani, Belonging, 2023, 1:51 Min, mit Ton
Die Wurzeln, die den heutigen Menschen umgeben, drücken seine Besorgnis über die Einwanderung aus; eine Migration, die nie stattgefunden hat. Als Bürgerin im Osten der Welt habe ich, wie viele Menschen auf dieser Erde, Wurzeln geschlagen. Diese haben sich um meinen Körper gelegt und mich dazu gebracht, hier zu bleiben. Wurzeln, die ein Beispiel für meine Bindungen und Zugehörigkeiten in diesem Land sind. Im Land des Nahen Ostens zu bleiben, dort zu leben, sich seinen Problemen und Leiden zu stellen, ist Aktivismus in seiner Essenz. Auf einer anderen Ebene bezieht sich dieses Projekt auf den „Körper" als den zeitgenössischen menschlichen Körper. Ein komplizierter Körper inmitten der Wurzeln der Zugehörigkeit, der mit seinen täglichen Angelegenheiten beschäftigt ist. Daher werden die Körper der Performer:innen während der Durchführung des Projekts als Körper betrachtet, die mit Abhängigkeiten vermengt sind. Sie sind von den Wurzeln umgeben, die sich auf ihre Körper spannen. Auch das Haus, ein „Zuhause", wird als ein besonderer Ort für die Durchführung des Projekts betrachtet.
(Sara Sasani) Zohre Solati, The Past in the Present, 2021, 1:07 Min, ohne Ton
Ros’ und Lilie morgenthaulich
Blüht im Garten meiner Nähe,
Hinten an bebuscht und traulich
Steigt der Felsen in die Höhe.
Und mit hohem Wald umzogen,
Und mit Ritterschloss gekrönet,
Lenkt sich hin des Gipfels Bogen,
Bis er sich dem Thal versöhnet.
Und da duftet’s wie vor Alters,
Da wir noch von Liebe litten,
Und die Saiten meines Psalters
Mit dem Morgenstrahl sich stritten.
Wo das Jagdlied aus den Büschen,
Fülle runden Tons enthauchte,
Anzufeuern, zu erfrischen
Wie’s der Busen wollt’ und brauchte.
Nun die Wälder ewig sprossen,
So ermutigt euch mit diesen,
Was ihr sonst für euch genossen.
Läßt in andern sich geniessen.
Niemand wird uns dann beschreien,
Dass wir's uns alleine gönnen;
Nun in allen Lebensreihen
Müsset ihr geniessen können.
Und mit diesem Lied und Wendung
Sind wir wieder bei Hafisen,
Denn es ziemt, des Tags Vollendung
Mit Geniessern zu geniessen
(Johann Wolfgang von Goethe)
Sara Sasani, Monotony, 2020, 3:08 Min, mit Ton
Wie bei den heteronymen Wörtern im Englischen gibt es auch in der persischen Sprache viele Wörter, die identisch geschrieben werden, aber unterschiedliche Klänge und Bedeutungen haben. Ein paar dieser Wörter sind: „Alltagsleben" und „Todestag“. Verschiedene Ausdrücke, die in diesem Kontext von der Bedeutung her ähnlich sind.
Ein großer Teil der Frauen im Iran stirbt anscheinend jeden Tag aufgrund einer Reihe von Umständen. Die Tage vergehen und sie werden jeden Tag in sich selbst und in ihrem Alltag begraben, ohne Aussicht auf eine bessere Zukunft.
Die Tage für diese Frauen wiederholen sich ohne Hoffnung auf eine Zukunft. Diese Tage kommen so schnell und konsequent, dass der Boden plötzlich ihre ganze Existenz verschluckt.
Sie gehen, arbeiten, sehen, hören, aber sie wissen nicht, dass sie jeden Tag tief in Frustration und Unendlichkeit begraben werden.
Das Begräbnis ist ein Zeichen des Todes, und diese Frauen sind in die Erde eingepflanzt und sterben jeden Tag an der Routine ihres Lebens.
Allerdings gibt es einige Frauen, die versuchen, dem Tod durch den Alltag zu entgehen.
(Sara Sasani) Sara Sasani, Death of the Urmia Lake Forever, 2023, 1:23 Min, mit Ton
Der Urmia-See trocknete aufgrund menschlicher Vernachlässigung und Inkompetenz aus. Er starb für immer, aber Profitierende und Geschäftemachende bauten künstliche Seen und schädigten erneut die Umwelt.
(Sara Sasani)
Zohre Solati, a woman’s everyday life, 2022, 0:53 Min, ohne Ton
Das tägliche Leben hat mich so sehr in Anspruch genommen, dass ich mich oft selbst vergesse. Zahlreiche Ängste lassen mich nicht an mein wahres Ich denken. Sie geben mir nicht einmal die Möglichkeit, eine Pause einzulegen. Ich habe erkannt, dass meine wahre Identität durch diese Ängste, die alltäglichen Ereignisse und das soziale Umfeld beeinträchtigt wird, was dazu führt, dass ich anderen ein verzerrtes, unwirkliches Bild von mir präsentiere, das nicht meinem wahren Selbst entspricht.
(Zohre Solati)
Biografien der Künstler:innen:
Sara Sasani *1985 Teheran, lebt in Teheran, Iran
https://sarasasani.com/
Zohre Solati *1986 Teheran, lebt in Teheran, Iran
https://linktr.ee/art.zohresolati
//ENGLISH: Andrea Domesle, director of Videocity, writes:
Iranian contemporary art is rarely shown in Europe. Curator Zahira Mozaffari focuses on the work of two young women who live in Tehran, where they exhibit in galleries and at international film festivals. After Basel, their video works are now being shown in Switzerland for the second time. What is special is that the two artists live in Tehran and critically reflect on global issues such as environmental pollution and the status of women in their short videos. In European media news programmes, we are currently hearing a lot about the obligation to wear headscarves and the blatant oppression of women by the mullah regime. We are therefore all the more pleased that there are such self-confident women artists in Tehran who are pursuing their very own artistic style.
Texts about the artistic works: Sara Sasani, The Burden of Nature (field), 2023, 0:47 min, with sound
The Burden of Nature (beach), 2023, 2:00 min, with sound The garbage crisis in different regions of Iran, especially in the north of the country, is very serious and worrying. By implementing this performance, I am aiming for a small part of the burden of garbage, which is on nature. Its shoulders feel like, I'm only carrying him for a few moments. (Sara Sasani) Zohre Solati, This is Who I Am, 2023, 6:57 min, no sound Asking questions about my identity and exploring its various dimensions are what I do on a daily basis. Returning to my own self, being in the public area and the urban environment while covered with pieces of mirror, is like a practice for me. A practice for learning how to face the fears and prohibitions and how to live in the moment. The mirrors reflect other people and their various lives and interweave us with each other. Our identities are a kind of interweavement reflected in each other in the current important moment of history and with common purposes. (Zohre Solati) Sara Sasani, We are Born too Late, 2024, 1:14 min, with sound We were born in a place where many ordinary social actions are being aggressively prohibited; where pursuing most common matters has become a quest to attain the most difficult, the most unattainable. We were born where simple, common matters are still on the margin of the society and haven't had the opportunity to find their way into the public discourse. Maybe we were born too early, or maybe we were born too late. (Sara Sasani)
Sara Sasani, Belonging, 2023, 1:51 min, with sound
The roots running around contemporary man express his concerns regarding immigration; A migration that never happened and as a citizen in the east of the world, like many people living on this earth, I have taken root, and the roots are stretched and wrapped around my body and led me to stay in. The roots that are an example of my ties and affiliations in this land. Staying and living in the land of the Middle East and facing its problems and sufferings is activism in its essence. In another layer, this project refers to "body" as the contemporary human body. A complicated body among the roots of the belonging that is busy with its daily affairs. Therefore, the bodies of the performers during the implementation of the project are considered as bodies mixed with dependencies, and they are surrounded by the roots stretched on their bodies. Also, the house a "home" is considered as a special place for the implementation of the project.
(Sara Sasani) Zohre Solati, The Past in the Present, 2021, 1:07 min, no sound
LILY and rose by morn bedewed
Are blooming in the garden near;
Soft with low-growing underwood
The rocks climb upward to the rear;
And, girdled with its belt of trees,
A feudal castle crowns the height
Where curves its marge by soft degrees,
Till with the valley it unite.
And every air some odour brings
As when love ached in those old days,
Those dawning’s when my psaltery-strings
Contended with the morning’s rays,
There where from greenwood shades would start,
Rounded and full, the hunters‘ chant,
To quicken and to fire the heart,
Accordant to its wish or want.
Ever the woods fresh leaves unfold!
With these your soul rejoicing fill;
Pleasures that were your own of old
May be enjoyed through others still;
No man will then complain of us
Care for ourselves was all we had;
Through all life’s process various
You must have virtue to be glad.
(Johann Wolfgang von Goethe)
Sara Sasani, Monotony, 2020, 3:08 min, with sound
As heteronym words in English, there are many couple of words in Persian language which are spelled identically but have different sounds and meanings. A couple of these type of words are: "everyday life" and "death of day". The phrases which in addition to the same dictation, are close in meaning these days. A large portion of women in Iran, seemingly die everyday due to a set of conditions. Days pass and they are buried every day in themselves and in their everyday life with no perspective of a better future. Days for these women, repeat with no hope to the future, and these days come so fast and consequently that the soil suddenly swallows whole of their existence. They walk, work, see, hear, but do not know that each day, they are buried deeply in frustration and endlessness. The burial is a sign of death, and these women are planted in the soil and die every day due to the routine life. Although there are some women who try to avoid the death caused by the everyday life.
(Sara Sasani)
Sara Sasani, Death of the Urmia Lake Forever, 2023, 1:23 min, with sound
Lake Urmia dried up due to human negligence and incompetence and died forever, but profiteers and profiteers built artificial lakes and again harmed the environment.
(Sara Sasani)
Zohre Solati, a woman’s everyday life, 2022, 0:53 min, no sound
Daily life has occupied my mind so much that I often forget myself. Numerous anxieties don’t let me think of my real self. They even don’t give me the opportunity to have some break. I realized that my true identity has been affected by these anxieties, everyday events and the social environment and this leads me to present a distorted unreal image of myself to others which is not my true self.
(Zohre Solati)
Biographies of the artists:
Sara Sasani *1985 Tehran, lives in Tehran, Iran https://sarasasani.com/
Zohre Solati *1986 Tehran, lives in Tehran, Iran https://linktr.ee/art.zohresolati
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